Opfer (Teil 1)

Der Marshmellowtest

In den letzten 50-60 Jahren führten Psychologen mit Kindern im Alter von 4-6 Jahren verschiedene, so-genannte Marshmellowtests durch, die sehr interessante Ergebnisse lieferten (Mischel & Ebbesen, 1970; Shoda, Mischel & Peake, 1990). Ich erzähle mal kurz, wie so ein Test aussieht.

Ein Kind wird an einen Tisch gesetzt auf dem sich eine Klingel befindet. Dann bekommt das Kind eine heiß begehrte Süßigkeit (z.B. Marshmellows) gezeigt, und zwar wie folgt: Auf einem Teller befindet sich ein Marshmellow, auf einem anderen zwei. Der Versuchsleiter erklärt dem Kind, dass er gleich den Raum verlassen muss, aber wenn das Kind auf ihn wartet, bis er wieder zurückkehrt (in der Regel nach 15 Minuten), dann bekommt das Kind als Belohnung die zwei Marshmellows.

Weiterhin wird dem Kind erklärt, dass es den Versuchleiter durch Klingeln jederzeit herbeirufen kann, wenn es nicht mehr warten, sondern sofort naschen möchte. Dann bekommt es aber nur ein Marshmellow.

Ergebnis: Die meisten Kinder (ca. 3/4) scheitern und wollen vor Ablauf der 15 Minuten naschen und verzichten somit auf das zweite Marshmellow. Nun, das Ergebnis wäre jetzt nicht besonders überraschend oder spannend, wenn man nicht noch folgendes getan hätte: Man hat geschaut, wie es den Kindern, die am Marshmellowtest teilgenommen haben, 10 Jahre nach dem Test ging.

Und da stellte man Folgendes fest: Kinder die bis zum Ende des Tests oder zumindest relativ lange warten konnten, hatten bessere schulische Leistungen, waren zielstrebiger, gingen planvoller bei Tätigkeiten vor, konnten sich besser konzentrieren und konnten besser mit Frustration und Stress umgehen.

Delay of gratification

Das, was der Marshmellowtest untersucht, nennt sich im Englischen „delay of gratification“ und auf Deutsch „hinausgeschobene oder hinaugeszögerte Belohnung“. Es ist die Fähigkeit, den starken Impuls nach einer sofortigen Befriedigung seiner Bedürfnisse zugunsten zukünftiger Ziele aufzuschieben. Diese Fähigkeit wird als eine wesentliche Errungenschaft der menschlichen Entwicklung angesehen, die uns von Tieren unterscheidet.

Warum sollte man fähig sein, einer sofortigen Bedürfnisbefriedigung zu wirderstehen? Weil man sonst wichtige Ziele im Leben nicht erreichen kann. Wenn ein Student sich als Ziel setzt eine Prüfung zu bestehen um in der Zukunft einen angesehenen Beruf zu haben, dann muss er sich hinsetzen und lernen, während seine Freunde Party machen und er selbst auch lieber feiern würde.

Das Leben als eine Reihe von Marshmellowtests

Und es scheint, dass das Leben auch für uns eine ganze Reihe Marshmellowtests bereit hält. Die Coronazeit z.B. war ein gigantischer und hinterlistiger Marshmellowtest. Allerdings haben sich die „Versuchsleiter“ sogar das Anschaffen von Süßigkeiten erspart. Als „Belohnung“ gab es stattdessen DIE elementaren Grundrechte, die sie uns vorher weggenommen hatten.

Man nahm uns die Freiheit, die Möglichkeit Kontakte zu pflegen und oft auch die Möglichkeit zu arbeiten. Und dann stellte man uns vor zwei Optionen:

  • Option 1) Unterwirf dich und lass dich impfen, dann bekommst du bald deine Freiheit zurück.
  • Option 2) Unterwirf dich nicht, und du gehst für eine lange Zeit durch die Hölle, dafür werden wir schon sorgen.

Dieser Marshmellowtest wurde mit Absicht so angelegt, dass möglichst keiner der Probanden lange durchhält. Und wie beim echten Marshmellowtest, gaben die meisten Menschen nach, und wählten die Option, die am schnellsten und einfachsten zur Befriedigung ihrer kurzfristigen Bedürfnisse führte.

Beim Marshmellowtest namens „Klimarettung“ sollen die Menschen hingegen die anstrengendere Option wählen, welche langes Durchhalten und großen Verzicht erfordert. Damit das überhaupt funktioniert, müssen die Menschen ständig unter Druck gehalten und in Angst versetzt werden.

Wie hält man länger durch?

Die Psychologen haben beim Marshmellowtest erforscht, was dazu beiträgt, dass Kinder länger beim Test durchhalten. Ich möchte vier Beispiele kurz beschreiben.

1. Sichtbarkeit der Belohnung

Wenn die Süßigkeiten während des Versuchs für die Kinder sichtbar waren, dann fiel es ihnen deutlich schwerer durchzuhalten als wenn die Süßigkeiten verdeckt waren.

Auch während der Coronazeit wurde den noch Ungeimpften mit Bildern von baldigen Kneipen- und Restaurantbesuchen, von vollen Fußballstadions, von Urlaub in der Ferne oder schlicht und einfach mit einem Stück Bratwurst der letzte Widerstandswillen gebrochen.

2. Bekanntheit der Wartezeit

Personen, die wissen, wie lange sie auf eine zu erwartende Belohnung warten müssen, warten im Durchschnitt länger auf diese Belohnung als Personen, die dies nicht wissen wie lange sie warten müssen (McGuire and Kable, 2012).

Auch während der Coronzeit wurde suggeriert: Lass dich impfen und du bist in zwei Wochen frei. Doch wenn du dich nicht impfen lässt, dann ist es ungewiß, ob und wann du deine Freiheit wieder bekommst.

3. Vetrauen in die Zukunft

Es schaffen mehr Kinder den Test, wenn sie den Versuchsleiter im Vorfeld als vertrauenswürdig erlebt haben, wenn sie sich also darauf verlassen können, dass sie die versprochene Belohnung tatsächlich erhalten werden (Kidd et al., 2013). Wenn sie dem Versuchsleiter nicht vertrauen, dann nehmen die Kinder einfach das Vergnügen mit, das am schnellsten und einfachsten zu erreichen ist. Um bereit zum Verzicht zu sein, muss man Vertrauen in die Zukunft haben. Und wo kein Vertrauen in die Zukunft ist, ist auch keine Kraft für die Gegenwart.

Auch Während der Coronazeit, haben sich eher die Menschen impfen lassen, die der Regierung vertraut haben. Ich frage mich, wie viel von diesem Vertrauen heute noch übrig ist.

4. Stabile Familiensituation, Vorhandensein des Vaters

Kinder aus stabilen Familienverhältnissen hielten länger durch. Eine stabile Familie bedeutet in den meisten Fällen, dass ein Vater vorhanden ist, der auch für die finanzielle Sicherheit sorgt. Kinder aus stabilen Familienverhältnissen konnten beim Test im Durchschnitt länger durchhalten, weil sie zuhause erlebt haben, dass ihre Eltern versprochene Belohnungen auch ablieferten. In armen Familien können sich Kinder seltener auf die Versprechen ihrer Eltern verlassen, weil diese öfter ihre Versprechen aus Geldmangel nicht halten können.

Armut (und diese trifft öfter bei Alleinerziehenden auf) führt häufig dazu, dass Menschen sich eher für die kurzfristige als für die langfristige Belohnungen entscheiden. Denn ein zweites Marshmallow erscheint irrelevant, wenn man befürchten muss, dass selbst das erste verschwinden könnte.

Während der Coronazeit wurden Streit, Spaltung und Trennung in viele Familien gebracht und seit dieser Zeit nimmt auch die Armut in Deutschland rapide zu. Wenn es nach dem Willen von grün-linken Ideologen geht, hat die klassische Familie sowieso ausgedient und gehört abgeschafft.

Und es sind hauptsächlich die Väter, die Kindern das hinauszögern der Bedürfnisbefriedigung vermitteln (Farrell & Gray, 2019). Kinder lernen hauptsächlich von Vätern, dass sie eine Belohung erst dann erhalten, wenn sie dafür eine Leistung erbracht haben und dass es keine Belohung sondern vielleicht sogar eine Strafe gibt, wenn sie nicht auf den Vater hören.

Vom Marshmellowtest zur Opferbereitschaft

Über die Notwendigkeit einem kurzfristigen Vorteil zu wiederstehen, weil man ein größeres Ziel in der Zukunft im Auge hat, hat man sich bereits vor Jahrtausenden intensiv Gedanken gemacht, als der Marshmellowtest noch nicht erfunden war. Damals sprach man jedoch nicht von „hinausgeschobener oder hinaugeszögerter Belohnung“ sondern von „Opfer“ bzw. „Opferbreitschaft“.

Zukunft als strenger Vater

Unsere Vorfahren haben nämlich schon vor Tausenden Jahren erkannt, dass bestimmte Opfer notwendig sind, um die Zukunft, die prinzipiell unbekannt ist, positiv zu beeinflussen.

Wie das konkret vor sich ging, kann man nur vermuten. Aber vielleicht haben Sie eines Tages entdeckt, dass wenn sie etwas Nahrung aufheben, anstatt alles sofort aufzuessen, dann müssen sie und ihre Familie später nicht hungern. Und vielleicht haben sie eines Tages etwas von ihrer Nahrung den hungernden Nachbarn abgegeben, und diese haben sich einige Tage später dafür revanchiert. Auf diese Art konnte eine Art Tausch entstehen, wo man in der Gegenwart auf etwas wertvolles verzichtet, aber in der Zukunft dafür belohnt wird. Und sie stellten im Laufe der Zeit fest, dass man besonders dann von der Zukunft oder dem Schicksal begünstigt wird, wenn man in der Lage ist, seine Belohnung aufzuschieben und seine Ressourcen und Fähigkeiten mit anderen teilt. Und das sollte einleuchten, denn das Schicksal bzw. die unbekannte Zukunft wird zu großen Teilen von den uns umgebenden Menschen beinflusst. In der heutigen Welt wären das z.B. Verwandte, Nachbarn, Lehrer, Chefs, Arbeitskollegen, Freunde usw. (Peterson, 2018)

Unsere Vorfahren entdeckten somit, dass sich die unbekannte Zukunft wie ein strenger, richtender Vater verhält, der diejenigen Belohnt die keine Mühe scheuen und große Opfer bringen und diejenigen Bestraft, die dafür zu feige, faul und geizig sind. Die Zukunft, auch wenn sie prinzipiell unbekannt ist, lässt sich in der Gegenwart durch eigenes Handeln beeinflussen, man kann in gewissen Sinne mit der Zukunft verhandeln und feilschen.

Und unabhängig davon, ob wir an so etwas wie einen Gott glauben oder nicht: Wenn wir nicht die richtigen Opfer bringen, wenn wir nicht berücksichtigen, dass uns die unbekannte Zukunft wie ein strenger, richtender Vater behandelt, werden wir unsere Ziele verfehlen.

Sünde

Im Griechischen gibt es einen Ausdruck, der für das Verfehlen eines Ziels steht, und dieser Ausdruck lautet „hamartia“. Ebenso gibt es im Hebräischen den Ausdruck „chat’at“, der für das Verfehlen eines Zieles steht. Diese Ausdrücke kommen in der Bibel vor und wurden ins Deutsche mit dem Wort „Sünde“ übersetzt (ein Ausdruck das ungefähr für „Trennung von Gott“ bedeutet).

Sünde bedeutet also ursprünglich „das Ziel zu verfehlen“ - und dieses verfehlt man, wenn man weitere Ziele, die in Konkurrenz mit dem eigentlichen Ziel stehen verfolgt und deshalb nicht die richtigen Opfer bringt. Wenn man an das eigentliche Ziel, sozusagen an den „Plan A“, nicht fest genug glaubt und deshalb einen Plan B im Hinterkopf hat, dann geht jede Minute, die man an Plan B denkt, für die Umsetzung von Plan A verloren. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, das Plan A scheitert, dass man das eigentliche Ziel verfehlt.

In Matthäus 6,24 wird dies z.B. wie folgt ausgedrückt:

Niemand kann zwei Herren gleichzeitig dienen. Wer dem einen richtig dienen will, wird sich um die Wünsche des anderen nicht kümmern können. Er wird sich für den einen einsetzen und den anderen vernachlässigen. Auch ihr könnt nicht gleichzeitig für Gott und das Geld leben. (Übersetzung: Hoffnung für alle).

Wenn es um die wichtigen bzw. richtigen Ziele im Leben geht, soll es also keine Kompromisse geben!


Soviel für heute über die Notwendigkeit des Opferns. Aber wie und was soll man überhaupt Opfern, damit die Vernunft zurückkehrt? Das versuche ich dann nächstes Mal zu erzählen...


Quellennachweise

  • Farrell, W., & Gray, J. (2019). The Boy Crisis. Dallas, TX: BenBella Books, Inc.
  • Celeste Kidd, Holly Palmeri, Richard N. Aslin (2012). Rational snacking: Young children’s decision-making on the marshmallow task is moderated by beliefs about environmental reliability. Cognition, Volume 126, Issue 1, 2013, Pages 109-114, ISSN 0010-0277, https://doi.org/10.1016/j.cognition.2012.08.004. (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0010027712001849)
  • McGuire, J. T., & Kable, J. W. (2012). Decision makers calibrate behavioral persistence on the basis of time-interval experience. Cognition, 124(2), 216–226. https://doi.org/10.1016/j.cognition.2012.03.008
  • Mischel, W., & Ebbesen, E. B. (1970). Attention in delay of gratification. Journal of Personality and Social Psychology, 16(2), 329–337. https://doi.org/10.1037/h0029815
  • Peterson, J. B. (2018). 12 Rules for Life: An Antidote to Chaos. Random House Canada.
  • Shoda, Y., Mischel, W., & Peake, P. K. (1990). Predicting adolescent cognitive and self-regulatory competencies from preschool delay of gratification: Identifying diagnostic conditions. Developmental Psychology, 26(6), 978–986. https://doi.org/10.1037/0012-1649.26.6.978