„Warum“ oder „Wozu“?
Immer wieder steht man Leben vor der Frage, warum Gott Unglück zulässt. Vor einigen Jahren las ich folgende kurze Geschichte von Pastor Wilhelm Busch, die in manchen Situationen vielleicht eine hilfreiche Antwort liefert.
Als ich vor einigen Jahrzehnten Pfarrer in einem Bergarbeiter-Bezirk wurde, ging es da schrecklich zu. Eines Tages hörte ich von einem Arbeiter, der auf der Zeche unter Tage verunglückt war. Ein Stein war ihm ins Kreuz gefallen. Und nun war er querschnittsgelähmt, ohne jede Hoffnung auf Besserung. Schrecklich! Nun ich besuchte ihn, aber dieser Besuch war fürchterlich, ja, es war der fürchterlichste Besuch, den ich je erlebt habe. Die Bude war voll mit Kumpels. Die Schnapsflaschen standen auf dem Tisch. Der Gelähmte saß in seinem Rollstuhl. Als ich reinkomme, hebt ein lautes Gebrüll an: „Du schwarze Drossel, bleib draußen! Wo war denn dein Gott, als der Stein mir ins Kreuz fiel? Warum schwiegt Gott denn?“. Und dann kamen die Flüche. Es war so wie die Hölle. Ich konnte kein Wort sagen und ging raus.
Ich hatte ein paar Freunde unter den Bergleuten meines Bezirks, denen erzählte ich am nächsten Abend im „Männerkreis“ von meinem Besuch. Und eine Woche später, als ich gerade den „Männerkreis“ beginnen wollte, ging polternd die Tür auf und - der Rollstul mit dem querschnittsgelähmten Mann wurde hereingeschoben. Die Freunde unter den Bergleuten hatten ihn einfach abgeholt und in unseren „Männerkreis“ mitgebracht. Ich weiß gar nicht, ob sie ihn viel gefragt haben, aber wahrscheinlich nicht. So saß er also vor mir. Und dann sprach ich über das Wort: „So sehr hat Gott die Welt geliebt“ - nicht dass er es uns gutgehen lässt, sondern „dass er seinen Sohn gab.“ Ich sprach von Jesus, dem letzten Wort Gottes, das wir hören müssen, und fuhr fort: „... auf dass alle, die an Jesus glauben, nicht verloren werden.“
Und der Mann hörte zu! Zum ersten Mal hörte er so von Jesus! Auf einmal sah er Licht. Ich will's kurz machen: Ein Vierteljahr später war er ein Eigentum dieses Herrn Jesus geworden. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie alles neu wurde. Seine Wohnung kam in Ordnung. Wo man früher Fluchen hörte, da erklangen nun Jesus-Lieder. Die alten Freunde blieben weg, dafür kamen neue. Die Schnapsflaschen verschwanden, dafür lag die Bibel auf dem Tisch. Frau und Kinder lebten auf. Kurz vor seinem Tode besuchte ich ihn noch einmal. Es ist mir unvergesslich. Er hatte so einen netten Namen: „Amsel“. Er wird's mir nicht übel nehmen, dass ich sogar seinen Namen nenne, er ist jetzt in der Ewigkeit.
„Amsel“ frage ich, „wie geht's?“ „Ach“, sagt er, „seitdem mein Leben Jesus gehört, seitdem ich Vergebung meiner Sünden habe, seitdem ich ein Kind Gottes bin, da ist in meinem Hause“ - er überlegte einen Augenblick, dann fuhr er fort - „jeder Tag wie der Tag vor Weihnachten.“ Das ist doch schön ausgedrückt von so einem Bergmann, nicht? Und dan kam das, wa ich nie vergesse. Da sagte er: „Busch! Ich sterbe bald, ich spüre das.“ Wir sagten „du“ zueinander, weil wir so gute Freunde geworden waren. „Und dann gehe ich durch das Tor und stehe vor Gott. Es ist mir ganz klar: Mit dem Tod ist nichts aus. Und wenn ich dann in der Ewigkeit vor dem Thron Gottes stehe, dann will ich vor ihm niederfallen und will ihm danken, dass er mir - die Wirbelsäule gebrochen hat.“
„Amsel“, unterbreche ich ihn erschreckt, „was erklärst du da!“ Und da antworter er: „Ich weiß was ich sage. Sieh, wenn das nicht gekommen wäre, wenn Gott mich so gottlos hätte weiterlaufen lassen, dann wäre ich schnurstracks in die Hölle gelaufen, in die ewige Verdammnis. Da musste Gott in seiner rettenden Liebe so hart eingreifen und mir die Wirbelsäule zerbrechen, damit ich zu seinem Sohn, zu Jesus finden konnte. Durch Jesus wurde ich ein fröhliches Kind Gottes. Und darum will ich ihm dafür danken!“ Und dann kam der Satz, der sich mir unauslöschlich eingeprägt hat: „Es ist besser, gelähmt zu Jesus zu gehören und ein Kind Gottes zu sein, als mit zwei gesunden Beinen in die Hölle zu springen!“
Das vergesse ich nie, wie der Mann das sagte: „Es ist besser, gelähmt zu Jesus zu gehören und ein Kind Gottes zu sein, als mit zwei gesunden Beinen in die Hölle zu springen!“ Da habe ich erwidert: „Mein lieber Amsel! Siehst du: Gott hat dir schrecklich Schweres geschickt. Im Anfang hast du gehadert: 'Wo war den Gott? Warum schweigt Gott?' Und jetzt hast du begriffen, wozu Gott das geschickt hat: Er hat dich zu Jesus ziehen wollen, damit Jesus dich zu ihm ziehen konnte!“
Aus: Busch, W. (2006). Jesus unser Schicksal (gekürzte Ausgabe). Aussaat-Verlag